Seniorenvertretungen

im Vogelsbergkreis

 
"Zukunft Vulkan Vogelsberg" -Innovative Ideen oder heiße Luft?
"Wir haben selber Ideen - und wir haben den Mut, auch mal etwas auszuprobieren!" ließ sich der Landrat des Vogelsbergkreises, Manfred Görig, laut Nachrichtenportal N24 auf dem Abschlusskongress des Demografieprojekts MORO im Dezember 2013 vernehmen.
Wie nicht anders zu erwarten, werteten alle Beteiligten aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft bei dieser Gelegenheit das zweijährige "Projekt", in dem sich mehr als 60 teils ehrenamtliche Akteure in drei Arbeitskreisen ("Technische Infrastruktur und Siedlungsentwicklung", "Senioren, Pflege, Hausärzteversorgung" sowie "Jugend, Bildung, Fach- kräfte") um die "Gestaltung des demografischen Wandels" (euphemistische Sprachregelung für die Tatsache der Entvölkerung unserer Region, andernorts unter der Überschrift
"Wann stirbt der Vogelsbergkreis?" dis- kutiert) bemüht hatten, als "sehr erfolgreich". Das Ergebnis stellte Landrat Manfred Görig nicht ohne Stolz in einer Hochglanzbroschüre mit "Handlungsempfehlungen" an Kreis, Kommunen und die "Akteure der Region" vor. 

Auch Dr. Norbert Mager, Referatsleiter aus dem Wiebadener Wirtschafts-ministerium, lobte den Vogelsbergkreis, der als eine von bundesweit  21 Modellregionen ausgewählt worden war, über den schwarz-grünen Klee: Er habe in etlichen Feldern, so der Regierungsvertreter, eine "echte Vor-reiterrolle" übernommen. So stehe der "Faktor Parizipation" ganz oben auf der Tagesordnung. [LOL!!!] Zuvor hatte Landrat Görig bereits den "Stellenwert der Jugendinteressen im Projekt" herausgestellt und betont, dass Gleiches auch für die Bereiche Senioren, Pflege, Ärzteversorgung und Fachkräfte-sicherung gelte. Pendler sollten "zu uns zurückgeholt" werden, die derzeit noch täglich ins Rhein-Main-Gebiet unterwegs seien.

Bei aller medienwirksamen Begeisterung der "Akteure" könnte leicht übersehen werden,  dass man sich offenbar erst am "Anfang eines langen Weges" befindet. Um die "Handlungsempfehlungen" zügig  in die Tat umzusetzen, bedürfte es erheblicher Geldmittel. Aber wer jetzt erwartet hätte, dass gewaltige Investitions-programme aufgelegt würden, um das als notwendig Erkannte praktisch umzusetzen, sieht sich enttäuscht. Der Berg kreißte und gebar lediglich einige kleine "Anschlussprojekte", für die die Landesregierung sodann einen eher mageren Zuschuss auslobte.

Den konkreten Zuschnitt des öffentlichen Geldsegens verrät eine 
Ver-lautbarung der Hessischen Staatskanzlei. Jede der drei Modellregionen (Hersfeld-Rothenburg, Vogelsbergkreis und "Spessart Regional") erhält 49.000 € aus Landesmitteln. Hinzu kommen noch je 91.000 Euro vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Wer an die Summen denkt, die einst in den "Aufbau Ost" flossen, um dort "blühende Landschaften" zu erzeugen, muss einsehen: Mit 140.000 Euro Gesamtetat kann halt nicht so schrecklich viel bewegt werden. 

Da wäre es natürlich um so sinnvoller, sich auf die drängensten Problembereiche zu konzentrieren. Der Landkreis Hersfeld-Rothenburg z.B. will neue Wege in der ärztlichen Versorgung und den Einsatz kommunaler Seniorenbetreuer erproben, die den Älteren frühzeitig Angebote und Maßnahmen vorstellen, mit deren Hilfe sie so lange wie möglich selbständig in der eigenen Wohnung leben können. Nicht schlecht!  
Im hessischen Spessart hat man sich die Erprobung eines Mobilitätsnetzes vorgenommen, das Anbieter des ÖPNV mit privaten Fahrgemeinschaften und Fahrdiensten zusammenführt und auch den benachbarten Main-Kinzig-Kreis ein-bezieht. Klingt ebenfalls vernünftig.
Und im Vogelsbergkreis? Hier mussten anscheinend durch Partizipation und Vernetzung so viele "Querschnittsthemen" mutig und innovativ als Ressourcen entdeckt und dabei noch so viel "große Aufmerksamkeit" erzeugt werden, dass den Projektbeschreibungen am Ende die Plausibilität fehlte und der Aspekt der Nachhaltigkeit vollkommen aus dem Blick geriet. Ein "KaffMobil" als eine Art Circuswagen zur Landjugendbespaßung für Dutzende von Dörfern? Wird dies am Ende auch nur einen Jugendlichen mehr in der Region halten? Oder ging es nur um die Symbolik des "Ernstnehmens der Jugend", für die man sich so gern selbst lobt? Noch abwegiger erscheint das "Elektro-Carsharing auf dem Land" mit dem hochtrabenden Ziel, den "Einsatz von Elektrofahrzeugen bei der Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum" zu "untersuchen" sowie "Hol- und Bringservices als neue Form der Nachbarschaftshilfe" per Emobil zu "etablieren", um "den regional produzierten Strom auch regional zu verbrauchen". Sind das die Themen, die dem gemeinen Vogelsberger unter den Nägeln brennen?

Um mit dem Hessen-Blödeler 
Bodo Bach zu sprechen:  "Herr Landrat, ich hätt da gern mal ein Problem..."!  Mir ist nur grad nichts Vernünftiges eingefallen. Die Begründungen für Pille-Palle-Projekte à la "Feuerrotes Spielmobil" für Käffer und Käffler oder "geteilte Elektromobilität im ländlichen Raum" klingen ähnlich einleuchtend wie der Einkaufswagen-Sketch des Owwebäscher Sprücheklopfers  ("Gut, dass ich dran bin!" - "Tschö, ich verabscheue mich!").

Du lieber Gott: Reguläre PKWs werden halt durch E-Cars ersetzt. Was gibt's da zu untersuchen? Wie lang das Verlängerungskabel sein muss? Elektrofahrzeuge sichern die Mobilität "in der Fläche" so gut oder so schlecht wie jedes andere Vehikel mit vier Rädern. Hat halt jedes seine Vor- und Nachteile. Da braucht's keinen "Feldversuch". Evidenter Nachteil der Elektrovariante: Aufgrund hoher Anschaffungskosten viel zu unwirtschaftlich, daher ohne nachhaltigen Effekt bei Auslaufen der öffentlichen Finanzierung. Wer könnte und wollte sich ein teures E-Car leisten, wo Opas alter Diesel dank subventionierter Landwirtschaft so preiswert [und im Notfall auch mit Heizöl] fährt? Und seit wann ist der Gedanke neu, einen Nachbarn mal irgendwo hin zu bringen oder von irgendwo abzuholen? Das passiert Tag für Tag 100.000mal in Hessen. Vor allem aber: Die Landbewohner benötigen keinen Nachhilfeunterricht in generationsübergreifendem Gemeinsinn! Dafür stehen Erfahrungen mit ganz einfachen Freiwilligen-Aktionen wie die
"Aktion saubere Landschaft" in Ulrichstein. "Frühjahrsputz: 112 Menschen säuberten die Umgebung der Stadt", titelte OsthessenNews. Um das zu verstehen, braucht man keine wissenschaftliche Begleitung. Fazit von KaffMobil und E-Car-Sharing: Billige 
Effekthascherei und rausgeschmissenes Geld!

Angesichts des hier dokumentierten "Ideenreichtums" und des in der Tat anerkennenswerten Mutes, derart banale Vorhaben überhaupt einer kritischen Öffentlichkeit zu präsentieren, beginnt man dumpf zu ahnen, was uns Prof. Udo Onnen-Weber mit seiner Denkschrift "Ländlicher Raum und ÖPNV - Vergebliches Bemühen um die Daseinsvorsorge? sagen will. Zitat: 
 
„Wir werden nicht darum herum kommen, einige ländliche Regionen ganz aufzugeben. Unsere Anstrengungen müssen aber dahin gehen, möglichst viele Regionen durch kreatives Einwirken zu stabilisieren. Und wenn wir dann hier und da eine Teilregion sogar entwickeln können, können wir stolz sein.“

Kreatives Einwirken, so,so... Ob damit auch dieser "Vogelsberg-Song" gemeint sein könnte, den Landrat Görig als Vorfilm in alle Kinos bringen will? Als ob das Kinosterben in der hiesigen Region nicht schon dramatisch genug wäre! Der Song und auch der schöne Slogan von Partizipation und Vernetzung als strategisch zu nutzenden Ressourcen etc. pipapo, den der Landrat so oft im Munde führt als habe er ihn selbst erfunden,  seien, wie man hört, "im Bundesministerium positiv aufgefallen". Ein Fleiß- und ein Kreativitätssternchen extra für jeden!

Und wenn auch das die Region nicht raushaut, werden wir wohl nicht darum herum kommen, einige ländliche Regionen... Siehe Udo Onnen-Weber!

Nun werden Kritiker ja sehr gern mit der inquisitorischen Frage vorgeführt: "Ja, was hätten Sie denn vorgeschlagen? Und warum haben Sie's nicht gemacht?"

Zu 1:
Wenn es nur darum gegangen wäre, solidarisch und gemeinschaftsdienlich den in der Region erzeugten Strom zu verbrauchen, wär mir statt E-Car-Sharing sicherlich zuerst mal das Problem Nachtspeicherheizungen eingefallen. Die hat man vor Jahren den Leuten mit billigen Sondertarifen schmackhaft gemacht, die dann - weil
aus heutiger Sicht ineffektiv und umweltschädlich - gegen Treu und Glauben einfach abgeschafft wurden. Heute sitzen vor allem Arme und Alte auf den veralteten Nachtspeicheröfen und haben aufgrund der hohen Stromkosten nur die Wahl, ob sie im Winter verhungern oder erfrieren wollen. Gleichzeitig hat sich aber mit dem Ausbau der alternativen Energieerzeugung (Wind- und Solarenergie) das Problem ergeben, dass in Spitzenzeiten ein Überangebot an Strom produziert wird, der dann weit unter Erzeugerkosten auf dem internationalen Energiemarkt verschleudert werden muss, weil man ihn nicht speichern kann. In diesem Zusammenhang gibt es plötzlich auch eine "Energiewende" für die Nachtspeicheröfen, weil hier natürlich ohne hohen Investitionsaufwand und langen Planungsvorlauf eine Speichermöglichkeit zur Verfügung steht, die man nutzen könnte. Nur würden die Elektroheizungen nicht mehr nachts aufgeladen, sondern eben immer dann, wenn gerade zu viel Strom produziert wird. Und fairerweise würde man diesen zu Tarifen abgeben (eventuell sozial gestaffelt!), die sich an den bisherigen Schleuderpreisen auf den internationalen Strommärkten orientieren. Ja, wäre es nicht ein ganz tolles "Anschlussprojekt" gewesen, zusammen mit dem regionalen Energieversorger ein technisches Modell zu entwickeln, das Tausenden von armen und alten Vogelsbergern erhebliche Kosteneinsparungen gebracht und dazu noch die Entwicklung intelligenter Steuerungssysteme für die Grundlast-Sicherung  gefördert hätte?

Aber dies ist ja nur eines von mehreren "Projekten", die mir spontan in den Sinn kommen. So gibt es Bedarf an Seniorentreffpunkten, wie man weiß. Zusätzlich soll auch älteren Menschen, soweit sie dies nicht längst in Anspruch nehmen, das Informations- und Kommunikationsangebot des Internets zugänglich gemacht werden. Auch Jugendliche auf den Dörfern wünschen sich oft einen Raum zu zwangloser Begegnung in der Freizeit. Warum bindet man nicht alles zusammen und macht daraus ein Projekt "generationenübergreifendes Internetcafé"? Da gäbe es sicher einiges zu erforschen: Wie bringt man die Bedürfnisse von Alt und Jung durch funktionale Raumnutzungskonzepte zusammen? Wie können die Senioren von dem IT-Wissensvorsprung der Jugendlichen profitieren und dann selbst das Internet nutzen, um z.B. wiederum Nachhilfe-Angebote für Kinder und Jugendliche zu entwickeln, die in der Schule gerade einen Durchhänger haben?
Oder - wenn's schon die individuelle Mobilität auf vier Rädern "in der Fläche" sein soll: Warum belebt man nicht eine stillgelegte Tankstelle, Dorfschmiede oder ehemalige Autowerkstatt als technisches Zentrum, wo alte und junge "Schrauber" ein paar gute und preiswerte Gebrauchtwagen für ein Car-Sharing fit machen und ständig warten? Geringe Kosten, generationsübergreifende Aktivitäten, hoher Nutzen für die Allgemeinheit!
Oder Stichwort Ärzteversorgung: Warum nicht das Schweizerische Modell des
"Praxis-Mobils" und das "AGnES-Konzept" (AGnES = Arztentlastende, Gemein- denahe, E-Health-gestützte Systemische Intervention), das die Delegation von Hausarztbesuchen und medizinischen Tätigkeiten an besonders qualifizierte MitarbeiterInnen in medizinischen Hilfsberufen ermöglicht, zu einem Gesamtkon-zept verbinden, das an die drei Krankenhäuser des Vogelsbergkreises (Alsfeld, Lauterbach, Schotten) angebunden sein und so dem Gerangel
mit der Kassenärztlichen Vereini- gung um Praxisstandorte entzogen werden könnte? 

Möglichkeiten für Politik und Verwaltung des Vogelsbergkreises zuhauf, um sich mit echtem Ruhm zu bekleckern, statt den "Bergezwerg" zwischen den anderen Mittelgebirgen mal wieder als Notstandsgebiet oder oberhessisches Schilda vorzuführen.

Zu 2:
Ich war zu der tollen Projektwerkstatt "Zukunft Vulkan Vogelsberg" gar nicht eingeladen. Bin schließlich nur ein "armer Wandergesell" aus dem Sauerland, ein-gewandert ohne Kenntnisse der Landessprache.

 
U. Lange 

P.S.:
MORO hat erst eine Bestandsaufnahme auf dem Papier erbracht und noch keines der oben beschriebenen Anschlussprojekte ist realisiert, da vermeldet die Politik bereits einen Riesen-MORO-Effekt. Der Vogelsbergkreis befinde sich in einer furiosen Aufholjagd, jubelt Landrat Görig am 16.06.2014 unter Berufung auf einen vom hessischen Wirtschaftsministerium aktuell veröffentlichten „Daten-Steckbrief Vogelsbergkreis", der "deutliche Verbesse- rungen und darüber hinaus sogar auch die Umkehrung negativer Prozesse" deutlich mache. So sei etwa "der Wanderungssaldo nun fast bei null".
 
Allerdings heißt es gleichzeitig: "Das Papier stammt aus dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Dessen Referat für Regionalentwicklung ist stark in das Demografie-Projekt MORO eingebunden. [...] Die Erkenntnisse aus dem MORO-Prozess bilden sich nun auch ab in der statistischen Bewertung der Entwicklung von Bruttoinlands-produkt, Erwerbstätigkeit, Wanderungssaldo und Arbeitslosigkeit. Überall hat der Vogelsbergkreis sich deutlich verbessert. Bei der Arbeitslosigkeit hat der Kreis sogar eine der niedrigsten Quoten in ganz Hessen." 

Dass sich "die Erkenntnisse aus dem MORO-Prozess" nun auch "in der statistischen Bewertung der Entwicklung..." abbilden, wie man hier in schönstem Regionalberater-Deutsch sprechbläst, heißt in Klartext: Das "stark in das Demografie-Projekt MORO eingebunden[e]" und damit ja wohl reichlich "befangene" Referat für Regionalentwicklung liest schon nach kürzester Zeit aus der Statistik "Erfolge" heraus, die durch MORO gar nicht bewirkt worden sein können, weil sich da außer einer Bestandsaufnahme (die übrigens - wie ein Blick in die Archive zeigt - vor fünf oder sogar 10 Jahren bereits ähnlich ausgefallen war!) sowie viel autosuggestivem Chakka-Chakka-Wir-schaffen-es-Geschrei noch gar nichts Nennenswertes getan hat. Statt reale Veränderungen einzuleiten, hat man nur im Stil zukunftsbesoffener Unternehmensberater  oder BWL-Gurus falsche Zuversicht verbreitet, einen griffigen Slogan und einen mäßig poppigen Vogelsberg-Song hinzu gefügt - und schon stellt sich - wie auf Bestellung - ein statistisch messbarer Erfolg ein. Glaube nur einer Statistik, die du selbst gefälscht hast (Politiker-Weisheit). Und keiner protestiert.
Gibt es einen besseren Beleg für das den Bürger gezielt einlullende postdemokratische Politikverständnis der sog. "Akteure"? 

"Ich weiß, es wirrrd einmal ein Wunderrr gescheh'n / Und dann werrrden tausend Märrrchen wahrrr!", tröstete uns einst
Zarah Leander in schweren Zeiten. Und dann wären da ja auch noch die Gebrüder Grimm als "Regionalberater" oder der Dichter Hans Christian Andersen mit seinem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern.

Tja, bei so vielen unverhofft guten Nachrichten, liebe Bergzwerge aus den Zwergbergen, könntet ihr euch ja eigentlich wieder schlafen legen. Warum auf die Barrikaden gehen? War es doch eure revolutionärste Tat, wie aus der Geschichte des Vogelsbergs berichtet wird, das im 19. Jahrhundert noch gut erhaltene einstige
Raubritterschloss in Ulrichstein auf Abbruch zu verkaufen und die billigen Steine dann in den eigenen Kuhställen zu vermauern.*) "Doo drääht sich doch dei Kouh herom on dritt de volle Aimer om!" Heute jammert man über einen fehlenden Fremdenverkehrsmagneten.

Wenn ihr wieder mal was von
"Zukunft Vulkan Vogelsberg" hört, werte Bergzwerge, geht vielleicht lieber in den Wald. Statt kleiner grüner Männchen aus den Science-Fiction-Visionen profilierungssüchtiger Provinzfürsten und ihrer Regionalberater trefft ihr da bestenfalls auf ganz gewöhnliche Förster oder Jäger. Und die sind bestimmt nicht gerade auf einer Aufholjagd. Halali.

Ich möchte nicht schließen, ohne ebenfalls einen Vogelsberg-Song beizutragen, der - nein, nicht im Kino, sondern vor jeder Kreistagssitzung - feierlich abgesungen werden sollte. Und der geht, frei nach Drafi Deutsch(länd)er, in etwa so:

Weine nicht, wenn der Regen fällt
("Könnt' mer so lasse", würde Bachs Bodo wahrscheinlich sagen),
Dumm, dumm, dumm, dumm
Und sich zum Unglück noch das Pech gesellt
Dumm, dumm, dumm, dumm

(Und jetzt ganz laut:)
VULKANGESTEIN UND EISEN BRICHT
Da kümmert uns kein Leerstand nicht
Alles, alles (auch MORO) geht vorbei
Dem Vulkan ist es einerlei!

Und jetzt alle... Und noch mal von vorn... Hände nach oben... Dankeschööön!

Machts schää good!

________________

*) Zur Ehrenrettung der Ulrichsteiner muss allerdings auch an den Bürgerprotest gegen die Abwasser- und Wasser-Vorausleistungebescheide der Stadt Ulrichstein (2009) erinnert werden, wo man sich gegen "Abzocke und modernes Raubrittertum" zur Wehr setzte. 
"Es sei schon eine Seltenheit [...] gewesen, als sich im November 2009 im Vogelsberg, wo man nicht gegen die Obrigkeit aufbegehrt, eine Bürgerinitiative gründete", zitiert "OsthessenNews" in einem Bericht vom 30.10.2013 den BI-Sprecher Reinhold Müller. In mehreren Verfahren und gerichtlichen Instanzen unterlag die Stadt Ulrichstein gegen die Bürgerinitiative. So hob das Verwaltungsgericht Gießen im Jahr 2009 die Gebührenbescheide der Stadt auf. In der mündlichen Hauptverhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof Kassel (Berufungsinstanz) zeichnete sich eine Prozessniederlage der Stadt zu 100% (Abwasserbescheide) bzw. 75% (Wasser) ab. Gegen das Urteil bzgl. der Wassergeld-Bescheide legte die BI das Rechtsmittel der Berufung ein, nach Ansicht der BI-Anwälte Prof. Dr. Lutz Eiding und Dr. Martin Faußner mit guter Erfolgsaussicht. Zuvor schon war die Stadt Ulrichstein in den Eilverfahren gegen die Erhebung der zweiten Vorauszahlungs-Rate vor dem Verwaltungsgericht Gießen wie auch in der Beru-fung vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel gescheitert.
 



 
  


 

 

Navigation

 
Die Wahrheit
hinter "MORO"
Was nützen alle Ideen, Image-Videos und Vogelsberg-Songs, wenn die realen Erfahrungen der Bürger dem Bild von einer "Zukunftsregion", das ihnen da vorgegaukelt werden soll, vollkommen zuwiderlaufen? Das Ulrichsteiner Beispiel eines rigiden Vorgehens der Stadt gegen die dortigen Gewerbebetriebe, Haus- und Grundstückseigentümer (hier wurden rechtswidrig zum Teil existenzgefährdende Wasser- und Abwasser-Vorauszahlungen eingefordert) zeigt, dass das postdemokratische Handeln oder einfach der Dilettantismus der Politiker selbst das größte Zukunftsrisiko dieser Region darstellt. Nicht der demografische Wandel scheint das Problem zu sein, sondern die Art und Weise, wie ein von den Lebensrealitäten abgehobenes Politikverständnis diesen Wandel "gestaltet". Wir zitieren hier einmal aus einem
Beitrag von OsthessenNews vom 30.10.2013:

"Als Hintergrund für den vorliegen- den Konflikt bezeichnete er die schlechte Kassenlage der Kom- munen mit dem Resultat, dass immer mehr Kosten auf den einzelnen Bürger verlagert würden. Die Landbevölkerung blute durch die demografische Entwicklung und angesichts der Schuldenberge und geringerer Zuweisungen von Bund und Land an die Kommu- nen aus. Der Landesrechnungs- hof habe aufgezeigt, dass die Kommunen nicht ganz schuldlos seien, da mancherorts ihre Haushaltsführung zu wünschen übrig lässt.
Zwangläufig würden im ländlichen Raum immer mehr Kosten auf immer weniger Bürger bezie- hungsweise Haushalte verteilt. Eine bürgernahe Politik, eine Politik für und mit den Bürgern, die zum Ziel hat, mit den verfügbaren Mitteln kreativ im Sinne der Bewohner einer Stadt umzugehen, sollte eigentlich das Ziel unseres neuen Stadtoberhauptes sein, meinte der Sprecher der BI: „Eine schrump- fende Region braucht keine Vorzei- geprojekte, keine „Leuchttürme", keine neuen oder vergrößerten Dorfgemeinschaftshäuser."

Man kann hier dem Bürger ruhig einmal "aufs Maul schauen", wie das schon Martin Luther gefordert hat. Hier springt einem die Erkenntnis förmlich entgegen: Projekte wie MORO, die sich als durchaus sinnvoll erwiesen haben, was die nüchterne Bestandsaufnahme der Ursachen und Folgen der demografischen Entwicklung sowie der hieraus abzuleitenden Handlungsschritte angeht, werden zu Fehlinvestitionen, wenn die politischen Akteure deren Botschaft einfach nicht verstehen, geschweigedenn nach Geist und Buchstaben in konkete Maßnahmen umsetzen?  Was nützt die Erkenntnis, dass die Aufgaben der Zukunft nur durch eine neue Form der "Bürgergesellschaft" bewältigt werden konnen, wenn die Politiker Bürgernähe nur inszenieren, um Reklame-Effekte zu erzielen, die sich vielleicht kurzfristig in positive Wahlergebnisse ummünzen lassen (so lange sich noch zu Viele täuschen lassen oder ihren Unmut nicht an der Wahlurne, sondern nur am Stammtisch bekunden!)?  Die Herstellung des "Wir sind Vogelsberg"-Videos in Lauterbach zeigt exemplarisch, dass die medienaffinen, post- demokratischen Politiker Bürger- beteiligung mit Instrumentalisie- rung verwechseln. Da dürfen sich in einem geradezu gespenstischen Szenario zufällige Besucher eines Einkaufszentrums  für die Bebilde- rung eines im Auftrag des Land- kreises produzierten Vogelsberg-Songs zum Affem machen, indem sie - angeleitet von "Vortänzern" - irgendwelche "Ententanz"-Bewe- gungen vollführen, um "Vulkane darzustellen". Da heißt es "Tanz den Vulkan" wie in der Waldorf- schule, um davon abzulenken, dass die Finanzpolitik in Bund, Ländern und Kommunen längst zum Tanz auf dem Vulkan geworden ist. Die "strategische Nutzung der Ressourcen Partizi- pation und Vernetzung" bei der Gestaltung des demografischen Wandels (Görig) verkommt zum Flashmob.


  
 

Stadt Ulrichstein: Bürger übervorteilt - Zukunft verspielt?

Zu welch dramatischen Konse- quenzen dielettantisches poli- tisches Handeln fürhen kann, wird aus einem Bericht der Alsfelder Allgemeinen vom 7.12.2013 deutlich. Auszug: 

>> Wenn die Stadt den Rechtsstreit in letzter Instanz verliere, dann müsste sie zwei Millionen Euro an zu viel verlangten Abwasserbeiträgen plus Zinsen zurückzahlen, machte Schneider deutlich. Das Geld habe die Stadt natürlich nicht, müsste einen Kredit aufnehmen. "Damit wäre die Leistungsfähigkeit der Stadt stark gefährdet", warnte der Bürgermeister. Es wären dann keine Investitionen mehr möglich, Windkraftprojekte und Ärztehaus gefährdet. Zu überlegen sei nunmehr, ob man einen sogenannten Schaffensbeitrag verlangt, dabei müsse man bis 1986 zurückgehen. Dieser Schaf- fensbeitrag könnte bei 2,50 Euro pro Quadratmeter liegen. "Das möchte keiner, aber irgendwo muss das Geld ja herkommen." Insgesamt hat die Stadt seit 2002 rund 12,2 Mio. Euro in Abwsserkanäle investiert. Reinhold Rüsche, Sprecher der Bürgerinitiative, sagte, man dürfe nun nicht so tun, als seien die Bürger daran schuld, wenn die Stadt nicht mehr handlungsfähig ist: "Es ist unser gutes Recht uns zu wehren." <<

Fazit: "Gestaltung des demografischen Wandels" besteht in professionellem Handeln der Politik in Städten und Gemeinden! Wo immer wieder Ver- schwendungssucht oder hemdsärmeliger Umgang mit Recht und Gesetz zu Fehlinvestitionen, Schaden-ersatzforderungen oder Prozesskosten in Millio- nenhöhe führen, nützen alle Image-Videos und alles Wir-sind-Vogelsberg-Geträller nichts! Daseinsvorsorge im Interesse aller Bürger sieht anders aus. Sie müssen am Ende die Suppe auslöffeln, die unfähige "Volksvertreter" ihnen eingebrockt haben. Aber das ist ja das "Schöne" in der Demokratie: Die Mitschuld tragen immer auch die Wähler, die Blender und Dilettanten in politische Ämter gewählt haben. Wie heißt es so schön: Nur die dämlichsten der Kälber wählen ihre Metzger selber!

Engagement-
Förderung

Was die Politik noch lernen muss!

Wie die Alltagserfahrung immer wieder zeigt, hat sich in Politik und Verwaltung noch keine Kultur der Engagement- förderung entwickelt. Man fordert "den Bürger" gern verbal zur Mitwirkung auf und beklagt dessen Politik- und Organisationsverdrossenheit. Doch wenn dieser dann hochmotiviert vor der Tür steht, Ideen, Konzepte oder einfach nur seine Bereitschaft anbietet, kann man mit ihm nichts anfangen. Gerade auf der kommunalen Ebene fehlt das Verständ-nis dafür, dass Engagement durch Schaffung begünstigender Rahmenbe- dingungen gefördert werden muss. Insbesondere geht es darum, ein Management der Bürgerbeteiligung zu entwickeln, das ein ermutigendes Klima auf Augenhöhe erzeugt, und Infrastruk- tureinrichtungen zu schaffen, die Gelegenheit zum "Mitmachen" bieten. Hierzu zählen Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros, Selbsthilfekontaktstellen und Bürgerstiftungen ebenso wie Stadtteilbüros, Mehrgenerationenhäuser, Lokale Bündnisse für Familien sowie Stabs- oder Anlaufstellen in der Verwaltung. Dies ist aber nur eine der Säulen des "Empowerments", das Politik und Verwaltung zu leisten haben. Hinzu kommen muss eine Anerkennungskultur für bürgerschaftliches Engagement, die den freiwillig Engagierten den Eindruck vermittelt, dass sie nicht nur Lückenbüßer für bezahlte Sozialarbeit sind, die die Kommune sich infolge finanzieller Engpässe nicht mehr leisten kann.

Es reicht nicht aus, den Bürger / die Bürgerin lediglich reden und dann freundlich ins Leere laufen zu lassen oder mit irgendwelchen JeKaMi-Projekten zu beschäftigen (Motto: Nun schreibt mal alle eure Ideen auf einen Wunschzettel. Den bekommt dann das Christkind. Da weiß man natürlich nie, ob die Wünsche auch erfüllt werden!). Ein abschreckendes Beispiel bietet hier wiederum die Stadt Ulrichstein: Im Jahr 2008 wurde eine Studie
"Demografischer Wandel im ländlichen Raum - Perspektiven für Ulrichstein"  erstellt, die empfahl, die Bürger in die Gestaltung des demografischen Wandels aktiv einzubeziehen. Doch dann geschah fünf Jahre lang gar nichts. Erst in der Stadtverordnetenversammlung vom 01.11.2013 beschloss der Magistrat auf Antrag der SPD-Fraktion, den vor Jahren begonnenen Dialog mit dem Bürger fortzusetzen. Der Wortlaut des Antrags: Vage, kein Zeitplan, die übliche "lange Bank". Zitat aus dem Protokoll:
Der Magistrat wird beauftragt:
1. Den Abschlussbericht der "Hess. Akademie der Forschung und Planung im ländlichen Raum (HAL)" aus dem Jahre 2008 der Öffentlichkeit vorzustellen,
2. den in 2008 begonnen Dialog zum demographischen Wandel in geeigneter Form wieder zu beleben und die Bürgerinnen und Bürger der Großgemeinde mit einzubeziehen. Als Diskussions-grundlage ist der Bericht der "HAL" aufzunehmen.
3. Zu prüfen, ob externe Unterstützung (sowohl personell als auch finanziell) in den Dialog eingebracht werden kann.
4. Eine Kommission zu gründen, die den Dialog fortsetzen und geeignete Maßnahmen zur aktiven Gestaltung des demographischen Wandels vorschlägt.

Wo der "Dialog mit dem Bürger" derart schleppend verläuft, reißt irgendwann nicht nur der Gesprächs-, sondern auch der Geduldsfaden. Schade.